Die Glosse

Aus folgender Nachricht:
 
Sicherheit

Gegen den Diebstahl von Autoradios hat der Amerikaner Gerald C. Levinson in Manhattan Beach (Kalifornien) ein neues Mittel erfunden (US-Patent-Nummer 4,96o,623). Es besteht darin, das Armaturen Brett so zu modifizieren, dass es aussieht, als habe ein Dieb das Radio bereits gestohlen. Dazu wird das vorhandene Radio mit einer flachen Attrappe verdeckt, aus der ein Gewirr von scheinbar abgerissenen Drähten heraushängt. Sie simuliert außerdem mit Ihrer dunklen, stumpfen und rissigen Oberfläche ein Loch im Armaturenbrett, das gar nicht vorhanden ist: Aber das soll nicht einmal bei Tage erkennbar sein. Die Attrappe soll in den Vereinigten Staaten 20 Dollar kosten.

schreibt Andrea folgende Glosse:
 
Sicherheit

Die Kalifornier sind findige Kerlchen, Meister der Illusion: Gigantische Filme, falsche Brüste und jetzt kommt einer daher und hat eine Attrappe gebaut, mit einer dunklen, rissigen Oberfläche, die man über sein Autoradio stülpen kann, um so ein Loch im Armaturenbrett vorzutäuschen. Auf dass böse Radiodiebe glauben, zu spät zu kommen. Schön, denke ich, wir könnten Attrappen bauen für alles, was uns wichtig ist im Leben und nichts, nichts mehr würde wegkommen, kein Autoradio, keine Kreditkarte und auch die große Liebe nicht. Eine Brieftasche über die Brieftasche, sieh da, nichts zu holen, eine leere Flasche über den leckeren Campari, ätsch, alles schon getrunken, ha, kein Tropfen übrig, nichts da mit ,,Du, könnte ich vielleicht einen Schluck...?" und dann die Flasche leeren bis fast auf den Boden, nichts mehr von alledem, nichts mehr! Und auch nie wieder eifersüchtig sein, sich glänzend amüsieren auf Partys mit dem Mann seines Lebens, keine Angst mehr vor der Konkurrenz, eine Attrappe über ihn und weg ist er! Wie wundervoll, man könnte ihn in den richtigen Momenten enttarnen, auf der Tanzfläche zum Beispiel und mit dem Unbekannten glänzen, der da wie Aschenputtel aus der Versenkung auftaucht, und dann, wenn er die ersten begehrlichen Blicke auf sich zieht, schwupps, Attrappe drüber und schon ist da wieder nur ein leerer Stuhl und man kann sich beruhigt zum Buffet begeben und sich ins imaginäre Fäustchen lachen und sich weiden an den verwirrten Blinken, wo ist er nur hin, der Traummann, wohin nur? Die Weltprobleme wären gelöst, wir könnten alles wegtarnen, endlich Sicherheit, alles in Sicherheit, nichts mehr da, zu spät gekommen, lange Nase machen, Zunge rausstrecken und sich diebisch freuen bis zum Umfallen. Los! Lasst uns die Erde tarnen, bevor die Außerirdischen kommen und sich unseres Planeten wie eines überdimensionalen Autoradios bemächtigen, auf dass wir ihnen zur Belustigung dienen! Lasst uns aus der Welt eine Kugel mit dunkler und rissiger Oberfläche machen, ein imaginäres Loch im Armaturenbrett des Universums! Dann wären wir endlich alle in Sicherheit und könnten uns totlachen über die Deppen da oben in ihren ungetarnten Untertassen.

Andrea studierte Journalismus an der Hamburger Henri-Nannen-Schule und hat sich als
freie Journalistin in Hamburg niedergelassen.
 
zur SMV-Homepage   zum Seitenanfang